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Manchmal sagt Schweigen mehr als Worte. Und manchmal sagen Worte nichts, wenn sie zu direkt sind. Wer zwischen Deutschland und der Türkei arbeitet, merkt schnell: Kommunikation ist mehr als Sprache – sie ist Kultur in Aktion.
Der Anthropologe Edward T. Hall prägte in den 1970er Jahren den Begriff der High-Context und Low-Context-Kulturen. Er beschrieb damit, wie unterschiedlich Menschen Informationen übermitteln – und wie viel Kontext nötig ist, um eine Botschaft wirklich zu verstehen.
In Low-Context-Kulturen wie Deutschland, den USA oder Skandinavien gilt: Was gesagt wird, ist gemeint. Klarheit, Präzision und Transparenz sind Tugenden. Sprache dient dazu, Missverständnisse zu vermeiden, nicht sie zu umschiffen.
In High-Context-Kulturen wie der Türkei, Japan oder arabischen Ländern dagegen spielt das Unausgesprochene die Hauptrolle. Gestik, Tonfall, Beziehung und Situation tragen mindestens so viel Bedeutung wie die Worte selbst. Man erwartet, dass das Gegenüber „zwischen den Zeilen“ hört – oder besser: fühlt. Hall schrieb dazu:
In der Praxis bedeutet das: Ein deutscher Manager sagt: „Wir müssen die Frist bis Freitag einhalten.“ Ein türkischer Kollege hört: Das ist eine Forderung ohne Flexibilität – er vertraut uns nicht. Oder umgekehrt: Ein türkischer Projektleiter sagt höflich: „Das Thema können wir später noch einmal aufgreifen.“ Ein deutscher Kollege versteht: Das ist erledigt. – und wundert sich später, warum nichts passiert ist.
Diese Unterschiede sind kein Zeichen mangelnder Professionalität, sondern unterschiedlicher Kommunikationslogiken.
Während Deutsche also auf Inhalt achten, hören Türken stärker auf Beziehungston und Zwischentöne. Das führt dazu, dass direkte Kritik in Deutschland als ehrlich gilt – in der Türkei jedoch als unhöflich oder respektlos empfunden werden kann.
In der türkischen Geschäftskultur wird Kommunikation oft als sozialer Prozess verstanden: Bevor über Inhalte gesprochen wird, wird die Beziehung „gestimmt“. Das mag für Deutsche nach Small Talk klingen, ist aber in Wahrheit eine Form der Orientierung: Man klärt nicht nur was besprochen wird, sondern wie – und mit wem.
Ein Beispiel aus unseren Trainings: In binationalen Teams beobachten wir häufig, dass deutsche Teilnehmende Gespräche nach einer klaren Agenda führen möchten, während türkische Kolleg:innen lieber informell beginnen, um Vertrauen aufzubauen. Sobald beides integriert wird – Struktur und Beziehung –, steigt die Qualität der Zusammenarbeit merklich.
In unserer Arbeit bei Unite Cultures sehen wir immer wieder, dass Missverständnisse weniger aus Inhalten entstehen als aus der unbewussten Annahme, dass Kommunikation universell funktioniert. Doch sie ist tief kulturell geprägt.
Erfolgreiche internationale Teams lernen, beide Kommunikationsstile zu lesen und zu kombinieren. Ein Meeting, das mit einem persönlichen Check-in beginnt und mit einer strukturierten Entscheidung endet, ist oft produktiver als eines, das nur auf Effizienz oder Harmonie setzt.
Kontextsensibilität ist der erste Schritt zu echter interkultureller Intelligenz. Sie bedeutet, bewusst zu fragen: Welche Information steckt zwischen den Zeilen? Wie viel Beziehung braucht die Botschaft, um Wirkung zu entfalten?
Oder, um es mit Hall zu sagen:
Wer das versteht, kommuniziert nicht nur effizient, sondern empathisch. Er hört zwischen den Worten – und spricht so, dass er verstanden wird, nicht nur recht hat.
Kommunikation ist wie Musik: Dieselben Noten klingen in jeder Kultur anders, weil der Rhythmus ein anderer ist. High-Context und Low-Context sind keine Gegensätze, sondern zwei Seiten einer universellen Kunst – der Kunst des Verstehens.
Die Zukunft internationaler Zusammenarbeit liegt nicht im „Anpassen“ an den Stil des anderen, sondern im bewussten Übersetzen kultureller Logiken. Wer Kontext versteht, schafft Verbindung – auch dann, wenn kaum Worte fallen.
Unsere Trainings unterstützen Führungskräfte dabei, kulturelle Dynamiken zu verstehen und Führungsstile gezielt anzupassen – für erfolgreiche, vertrauensvolle Zusammenarbeit über Grenzen hinweg.
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